Ein altes, schon fast vergessenes „Mordkreuz“ von 1616

Seit über 400 Jahren steht es im Lager Berg am Fußweg von Riesenbeck nach Ibbenbüren. Der Lehrer und Geschichtsforscher Rudolf Dolle (1863-1945) schreibt vor über 100 Jahren in

„Heimat und Leben“ u.a.:

„Hier sieht der Wanderer am Wege ein uraltes, aus schweren Eichenbalken gezimmertes Kreuz am Wege liegen, dessen tief in das Holz gegrabene Verwitterungsspuren besagen, daß dieses Kreuz hier schon jahrhundertelang gestanden haben muß. Sein durch Vermodern im Boden immer weiter gekürzter Schaft bedürfte schon einer Neuschäftung, um das Kreuz in seinen alten

Maßverhältnissen wieder aufrichten zu können. Sein Standort in düsterer, einsamer Bergschlucht, weitab von menschlicher Wohnung, erweckt unwillkürlich den Verdacht, daß seine Errichtung nicht religiösen Zwecken oder irgendeinem pietätvollen Gedenken, sondern der Sühne einer dunklen, grausigen Tat galt, über welche die Jahrhunderte allmählich den Mantel des Schweigens breiteten.

Das Kreuz selber verrät uns nichts darüber, weder durch eine Inschrift, noch durch eine Jahreszahl. Zudem ist es dadurch verdächtig, daß es niemals einen Corpus zur Verehrung durch die Vorübergehenden getragen hat. Fragt man die alten Leute, welche diesen Fußweg kennen und benutzen, so hört man, daß dieses Kreuz dort schon immer gestanden habe und daß von ihm die Sage gehe, hier habe ein Mann seine Frau erschlagen. Man fragt bei solcher Auskunft, die

man schon erwartet hatte, nicht mehr gerne weiter nach, denn man hört etwas Ähnliches von allen unseren alten, unbeschrifteten Kreuzen; sind doch sogar mit unseren uralten Steinkreuzen, deren Zweck nachweisbar eine kirchliche Markensetzung war, im Volksmunde immer derartige

Schauermären verknüpft. Das ist begreiflich, denn der Volksmund ersetzt gerne eine derartige geschichtliche Überlieferung durch ihm verständlichere Sensationen, welche sich im Laufe der Zeit ja naturgemäß auf solchen Verkehrswegen abgespielt haben. Von diesem Holzkreuz aber, zumal es an einer solch verdächtigen Stelle steht, ist es schon glaubhafter, in ihm ein Sühnekreuz für eine Mordtat zu sehen, obschon die Sage nichts Näheres von den Beteiligten noch auch von der Zeit, wann sie geschah, zu berichten weiß.

Wir können also auch hier nur der Sage zweifelnd glauben, wenn uns nicht der Zufall eine zeitgenössische schriftliche Nachricht erhalten hätte, welche sie voll inhaltlich bestätigt und sogar Jahr und Monat angibt, wann die Mordtat geschah und wann das Kreuz errichtet wurde. Als nämlich am 11. Januar des Jahres 1606 der Graf Arnold von Tecklenburg gestorben war, übernahmen seine fünf Söhne zunächst gemeinschaftlich die Regierung. Sie ließen u.a. noch in dem selbigen Jahre durch zwei Lingensche Landmesser genau ihre Landesgrenze, bzw. ihre Jagdgrenzen kartographisch feststellen. Eine dieser Karten, deren sorgfältige

Grenzeintragungen vom Heiligen Meer bis Tecklenburg reichen, fand sich neulich im Staatsarchiv zu Osnabrück wieder. Bei ihrem näheren Studium fiel dabei ein oberhalb Ahmans Hof am Südhange des Riesenbecker Berges groß eingetragenes rotes Kreuz auf mit der erläuternden Bemerkung:  „Hier erschlug im Mai dieses Jahres ein Mann sein Eheweib“.

Dieses damals gewiss sensationelle Ereignis, zu dessen Sühne man sogleich das große Holzkreuz am Tatort errichtet hatte, fanden die Landmesser topographisch offenbar so bemerkenswert, dass sie es nicht unterließen, es auch in ihre Karte aufzunehmen. Das Holzkreuz am Fußweg von Ibbenbüren über Ahmans Hof nach Riesenbeck, welches in der Nähe des Eulenfelsens jetzt am Boden liegt, ist also sicher ein „Mordkreuz“, von dem wir sogar genau wissen, dass es im Jahre

1616 zur Sühne für eine Mordtat errichtet wurde, welche sich dort im Mai desselben Jahres zugetragen hatte.

Vielleicht nimmt sich der Heimatverein Riesenbeck noch der Wiederaufrichtung dieses über 300

Jahre alten Kreuzes an, dessen wahre Geschichte dann ein Täfelein an seinem Fuße dem fragend vorüberziehenden Wanderer erzählen könnte.“

Recherchiert von Benno Lux und Werner Suer.

Karte: Staatsarchiv Osnabrück, K 553 Nr. 1 R Ausschnitt vom März 2021

Übersetzt: 'Dieses Kreuz bezeichnet die Stelle, an der der Mann seine eigene Frau ermordete in Mai 1616'

Das stark vermoderte kleine Holzkreuz wurde 1933 durch Mitglieder der Kolpingfamilie neu errichtet.

1984 wurde das Kreuz durch Mitglieder des Heimatvereins Riesenbeck vollständig renoviert und an der alten Stelle wieder aufgerichtet. Das von Rudolf Dolle angeregte Täfelein weist jetzt auf die Bedeutung des großen Holzkreuzes hin.

Das 4,20 m hohe Mordkreuz am Rande des Eulenfelsen. Daneben ein Findling mit folgender Inschrift auf einer gusseisernen Tafel:

DAT HÖLTENE KRÜZ. HIER ERMORDETE EIN MANN SEINE FRAU.

Wegen der Hochspannungsleitung wurde der Eulenfelsen erstmalig seit Jahrzehnten radikal abgeholzt.

Foto: G. Werthmöller März 2021

Die Kolpingfamilie Riesenbeck führte 1933 das von der Riesenbeckerin Frau Rosa Verlage verfasste Laienspiel „Et hölterne Krüz“ auf. Weitere Theateraufführungen des Laienspiels „Et hölterne Krüz“ gab es 1978 und 1999.

Et hölterne Krüz – eine Sage als plattdeutsches Theaterstück

Diese Handlung spielt in Riesenbeck am Berg auf dem Hof Wessels. Der Hof ist an das Kloster Gravenhorst abgabepflichtig und dadurch verschuldet.

Natz, der Sohn des Wessels ist ein Wilderer. Er hat es sich mit Franz, dem Jäger von Gravenhorst verdorben, weil er dort einen Hasen gewildert hat. Dieser Jäger heiratet Tresken, die Tochter des Wessels, also die Schwester von Natz. In der Hochzeitsnacht will Natz an den Diek-Teichen (vermutlich südlich von Bauer Ahman) ein Reh wildern. Franz, der Jäger von Gravenhorst erfährt das und versucht es zu verhindern, indem er die Rehe durch Schüsse vertreiben will.

Bauer Wessels folgt dem Jäger, der meint, dass er Natz beim Wildern aufgespürt hat und Bauer Wessels wird von dem Jäger aus Versehen erschossen. Als Natz das erfährt, erschießt er den Jäger und flüchtet. Später stellt Natz an dieser Stelle ein Sühnekreuz auf.

In „Wuorstebraud“ Geschichten und Sagen von Rosa Verlage schreibt sie unter anderem auf Seite 99

Wo an dem Fels die Eulen horsten,
Wo übers Gebirg‘ der Fußpfad führt,
In stiller Nacht der Jäger irrt,
Da steht im Schlagholz einfach schlicht
Ein Eichenkreuz, (dat hölterne Krüz) fast sieht man’s nicht.
Es ist vor vielen, vielen Jahren
Errichtet heimlich in der Nacht,
Und niemand hat es je erfahren,
Wer es dort heimlich hingebracht.
Doch was im Volke man erzählt,
Das ist gewiss wohl nicht verfehlt:
Dass es dort soll zur Sühne stehn
Für den Doppelmord, der dort geschehn.

Das 405 Jahre alte Kreuz und der Weg von Riesenbeck nach Ibbenbüren und der am Rande des Weges liegende Eulenfelsen sind in der Bevölkerung weitestgehend in Vergessenheit geraten. Der Arbeitskreis Ortsgeschichte des Heimatvereins Riesenbeck hat in den Archiven recherchiert, mit Anwohnern gesprochen und diese Zusammenfassung erstellt. Interessierte können diesen Artikel auf der Internetseite des Heimatvereins Riesenbeck einsehen.

Erstellt 2021
Arbeitskreis Ortsgeschichte
Gregor Werthmöller

Aktuelle Karte von 2020 mit den Häusern Lütkemeyer Lage 36 heute Postdamm 197, Book Lage 147 heute Postdamm 199, Jostmeyer Lage 37 heute Postdamm 194.

Die Parzelle mit dem Kreuz gehört dem Landwirt Bussmann Lage 5 heute Postdamm 130.

Quelle: Karte mapcarta.com